Zimmering, Raina: Marcuse und autonome alternative Räume. Ideen und Realität einer gegenwärtigen Opposition.
In: Bialluch, Christoph und Klaus-Jürgen Bruder u.a.(Hrsg.): Paralyse der Kritik – Gesellschaft ohne Opposition. Gießen: Psychosozial-Verlag (1. Februar 2019).
Raina Zimmering
Die 1968er Revolte und alternative autonome Räume
Marcuse prägte in seinem Buch Der eindimensionale Mensch den Begriff der »Gesellschaft ohne Opposition«. Mit dem Wort »Opposition« meinte er nicht nur die verengte Zuschreibung auf oppositionelle Parteien, sondern eine umfassende Gegenbewegung, die in der Lage wäre, sich der kapitalistischen Gesellschaft zu verweigern, diese schließlich zu überwinden und eine neue Gesellschaft entsprechend der »wahren Bedürfnisse des Menschen« errichten zu können, die Freude und Glück umfassen (Marcuse, 1964/1967).
Marcuse konstatierte enttäuscht, dass der »entwickelte Kapitalismus« in der Lage sei, die Menschen, besonders die Arbeiterklasse, als von Marx bestimmtes revolutionäres Subjekt einzufangen, ihre materiellen Bedürfnisse zu befriedigen, Opposition als hohes Risiko der eigenen Lage erscheinen zu lassen und somit Zustimmung zur kapitalistischen Gesellschaft zu erreichen. Die unteren Schichten, insbesondere die Arbeiterklasse, hätten entsprechend der »affirmativen Kraft des eindimensionalen Denkens« kein Interesse mehr daran, die kapitalistische Gesellschaft zu überwinden. Insbesondere der Konsum korrumpiere die Menschen und schaffe »falsche Bedürfnisse«, während die »wahren Bedürfnisse« überdeckt werden würden. Der Konsum-Kapitalismus hat das Fühlen und die Bedürfnisse grundlegend verändert. Für die »Große Verweigerung« gab es für ihn nur die Möglichkeit, außerhalb des Konsum-Kapitalismus zu leben. So wie Marcuse die Arbeiterklasse als den entscheidenden Transformator verloren sah, billigte er Gruppen wie schwarzen Aktivisten, Hippies, Feministen und Studenten diese Erneuerungskraft zu …